- Konrad Duden
- Konrad DudenDen Namen Duden kennt man vor allem als Titel des Wörterbuchs, das lange Zeit die amtliche Rechtschreibung der deutschen Sprache wiedergab und bis heute das anerkannteste Wörterbuch zur deutschen Rechtschreibung ist. Konrad Duden (1829-1911), der zu dieser Zeit Gymnasialdirektor in Schleiz war, gab 1872 das Buch »Die deutsche Rechtschreibung« heraus, aus dem sich mit der Zeit ein umfangreiches Regelwerk und Rechtschreibwörterbuch entwickelte. Dudens Vorstellungen von einer sinnvollen und für jedermann handhabbaren Orthographie gingen weit über das hinaus, was in den großen Rechtschreibreformen (1901 und 1996) beschlossen wurde, allerdings sah er die Notwendigkeit, auf Gewohnheiten Rücksicht zu nehmen und die Reform in mehreren Stufen herbeizuführen.Kindheit und LehrjahreKonrad Duden wurde am 3. Januar 1829 auf einem kleinen Landgut bei Wesel als zweites von acht Kindern geboren. Sein Vater war beruflich nicht sehr erfolgreich, die Familie zog während Konrad Dudens Kindheit mehrmals um, erst nach Wesel, dann nach Dinslaken, nach Essen und schließlich Anfang 1846 nach Soest. Über Dudens Kindheit ist fast nichts bekannt, außer dass er in Wesel von 1837 bis 1846 das Gymnasium besuchte, das er mit dem Abitur abschloss. Seine Leistungen im Fach Deutsch waren »gut«, seine Literaturkenntnisse »befriedigend«. 1846 begann er in Bonn ein Studium der Philosophie, klassischen Philologie, Geschichte sowie der deutschen Sprache und Literatur. Aus fragmentarischen Tagebuchaufzeichnungen geht hervor, dass er an den revolutionären Ereignissen im März 1848 lebhaften Anteil nahm und sich an Märschen durch die Stadt beteiligte. Noch im gleichen Jahr musste er, vermutlich aus finanziellen Gründen, sein Studium schon nach vier Semestern abbrechen. Er nahm bei der Senatorenfamilie Souchay in Frankfurt eine Stelle als Hauslehrer an. Dadurch kam er zum ersten Mal in engen Kontakt mit dem gehobenen Bildungsbürgertum. Er reiste mit der Familie Souchay auch nach England und in die Schweiz. Schließlich stellte er sich 25-jährig dem Lehramtsexamen, das er ohne besonderen Glanz bestand. Französisch und philosophische Propädeutik durfte er uneingeschränkt unterrichten, Latein und Griechisch nach weiteren Studien ebenfalls, Deutsch jedoch nur in unteren und mittleren Klassen. Sein Probejahr absolvierte er nur zum Teil, da er 1854 die Erlaubnis bekam, als Hauslehrer bei der überwiegend in Genua lebenden Kaufmannsfamilie Gruber zu arbeiten. Vier Jahre, bis 1858, übte er diese Tätigkeit aus, während der er in Sizilien seine spätere Ehefrau Adeline Jacob kennen lernte.Lehrer und SchuldirektorNoch vor seiner Abreise nach Italien hatte Duden in Marburg an der philosophischen Fakultät promoviert (über die »Antigone« des Sophokles), und 1858 trat er am Soester Archigymnasium eine Lehrerstelle an, die er für zehn Jahre ausfüllte.Schon früh schaffte er dort den Hebräischunterricht ab und ersetzte ihn durch den zeitgemäßeren Englischunterricht, außerdem setzte er sich für konfessionelle Toleranz ein und verfasste eine Schrift über die zwischen Schule und Elternhaus geteilte Verantwortung für die Erziehung. Er brachte es in zehn Jahren bis zum stellvertretenden Schulleiter.1861 heiratete er Adeline Jacob. 1868 wurde er als Direktor an das Rutheneum in Schleiz berufen, ein ländliches Kleinstadtgymnasium. Innerhalb weniger Jahre hob Duden das Niveau der Schule auf das größerer Städte, und seine Lehrplanänderungen wurden 1882 zur Grundlage für die »revidierten Lehrpläne« in Preußen. Obwohl Duden selbst den klassischen humanistischen Bildungsweg gegangen war, befürwortete er im Zuge der neuesten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse eine Verstärkung der naturwissenschaftlichen Fächer und der modernen Sprachen zuungunsten der alten Sprachen und der Religion, obgleich er selbst praktizierender Christ war. Außerdem räumte er dem Turnen einen wichtigen Platz in der Schulausbildung ein. Er verlängerte die Schulzeit auf die bis heute üblichen neun Jahre und schuf durch so genannte Realklassen mit eigener Fächerstruktur die Möglichkeit, das Gymnasium nur bis zum zehnten Jahr zu besuchen und mit der »mittleren Reife« zu verlassen.1876 nahm er das Angebot an, das Gymnasium in Hersfeld zu leiten, unter anderem weil er somit direkt bei den preußischen Behörden angestellt war und dadurch hoffte, seine inzwischen schon weit gediehenen rechtschreibreformerischen Pläne eher umsetzen zu können als an einem nur mittelbar Preußen unterstellten Provinzgymnasium. In den ersten Jahren hatte Duden sehr mit der mangelnden Disziplin der Schüler und dem schwachen Leistungsniveau zu kämpfen, er sah sich sogar gegen seine Prinzipien gezwungen, drakonische Maßnahmen in Form des Ausschlusses von Schülern aus dem Gymnasium zu treffen. Nach zwei Jahren kamen die ersten positiven Bewertungen von der Schulbehörde, und 1884 hatte er die Schule zu einer erfolgreichen und auch von offizieller Seite anerkannten Lehranstalt gemacht. Zu seinen Modernisierungsmaßnahmen zählte unter anderem die Einführung des Chemieunterrichts im Jahre 1883. Die Schule wuchs, und im Jahre 1900 machte dort das erste Mädchen Abitur. Wie schon zuvor in Schleiz gründete er in Hersfeld einen »Allgemeinen Bildungsverein«, einen Vorläufer der heutigen Volkshochschulen, mit Kursen in Deutsch, Fremdsprachen, Buchführung, Kurzschrift etc., außerdem war er Geschworener am Kreisgericht Rothenburg. Neben den genannten und anderen Aktivitäten (z. B. im »Verein gegen Verarmung und Bettelei«) widmete sich Duden seit den 1860er-Jahren einer Vereinheitlichung und Verbesserung der deutschen Orthographie. 1905, nach seiner Pensionierung, übersiedelte er nach Sonnenberg bei Wiesbaden, wo er am 1. August 1911 starb.Der RechtschreibreformerMitte des 19. Jahrhunderts herrschte in Deutschland eine große orthographische Verwirrung. Nicht nur, dass in jedem Fürstentum andere Regeln galten - sogar innerhalb von Schulen wurden von einzelnen Lehrern verschiedene Rechtschreibungen gepflegt, sodass die Schüler sich unter Umständen von Jahr zu Jahr umstellen mussten. Es hatte vereinzelte erfolglose reformerische Bestrebungen gegeben, und durch Johann Christoph Adelungs (1732-1806) »Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart« und seine »Vollständige Anweisung zur deutschen Orthographie« hatte sich die Orthographie ziemlich gefestigt. Sie wich von unserer heutigen Rechtschreibung nicht sehr stark ab. Die Uneinheitlichkeit wurde unter anderem von Jacob Grimm geschaffen, der eine recht weit gehende Reform vorschlug, die allerdings die Schreibung des Mittelhochdeutschen zum Vorbild nahm und deswegen auch die im grimmschen Wörterbuch praktizierte Kleinschreibung vertrat. Zwar war die mittelhochdeutsche Schreibung einheitlicher und phonetischer als die damals übliche Rechtschreibung, aber sie war für eine seit 700 Jahren nicht mehr verwendete Sprache geschaffen und stieß deshalb auf eine sehr gemischte Akzeptanz (als Beispiele: Bei gleich bleibender Aussprache würde »Baum« zu »Boum« - »braun« bliebe jedoch »braun« -, »Mond« würde zu »Mand«, »Löffel« zu »Leffel«). Die Vertreter dieser Reform wurden von den Gegnern als »Leffel-Partei« bezeichnet, die Anhänger einer phonetischen Reform dagegen als »fi-Partei« - nach der Schreibung des Wortes »Vieh«. Duden vereinheitlichte zunächst in Konferenzen des Lehrerkollegiums die Orthographie des Schleizer Gymnasiums, um den Schülern das Leben zu erleichtern, zudem mischte er sich aber auch in die umfassende Rechtschreibdiskussion. Theoretisch war er dabei eher ein Vertreter der »fi-Partei«, denn das Ziel, das ihm vorschwebte, war eine weitgehend phonetische Orthographie, wie er sie intensiv in seinen Genueser Jahren kennen gelernt hatte. Duden erkannte jedoch frühzeitig die gesellschaftlichen Hindernisse, die einer radikalen Reform im Wege standen, und strebte daher eine mehrstufige Reform an, die zunächst historische Gegebenheiten berücksichtigen und erst nach und nach vernachlässigen sollte. Die dreifache Schreibung des Lautes »f« in »Vogel«, »Strophe« und »Strafe« sollte beispielsweise neben den neuen einheitlichen Formen bestehen bleiben, bis man sich an diese gewöhnt hätte und sie verbindlich machen könnte. Abweichungen von der Phonetik, die morphologisch gerechtfertigt werden können, wollte er in Kauf nehmen: »Hund« und »Tag« statt »Hunt« und »Tak«, wegen der Pluralformen »Hunde« und »Tage«. Er wandte sich aber entschieden gegen bewusst historisierende und etymologisierende Schreibweisen, die zu »aristokratischen« englischen Verhältnissen führen würden - nur eine Elite, die die Möglichkeit hat, sich intensiv mit der unsystematischen Schreibung zu befassen, kann sie meistern. Das italienische Modell bezeichnete er im Gegenzug als »demokratisch« - im Prinzip kann jeder, der sprechen kann und die Buchstaben gelernt hat, korrekt schreiben. Die Vereinheitlichung, die Duden wünschte, war also nicht nur eine territoriale, sondern auch eine soziale. 1872 legte Duden seine Ansichten zu diesem Thema in der Schrift »Die deutsche Rechtschreibung« dar, die als »Schleizer Duden« in die Geschichte eingegangen ist. Zur gleichen Zeit wurde der Germanist Rudolf Raumer beauftragt, eine einheitliche Orthographie zu erarbeiten, und 1876 fand in Berlin die 1. Orthographische Konferenz statt. Raumer vertrat ungefähr die gleichen Ansichten wie Duden, jedoch ging er in seiner Kompromissbereitschaft weiter als jener. Duden verteidigte auf der Konferenz Raumers Entwurf, dieser scheiterte jedoch an einem angeblich von Bismarck als Saboteur der Reform geschickten Konferenzteilnehmer. Die Konferenz hatte keinerlei Konsequenzen, außer der Tatsache, dass kurz darauf fast jeder deutsche Staat seine eigenen Rechtschreibregeln zusammenfasste und veröffentlichte.Duden, der inzwischen erkannt hatte, dass ohne den mächtigsten und bevölkerungsreichsten deutschen Staat Preußen nichts zu erreichen wäre, erarbeitete auf der Grundlage der preußischen Regeln (unter Hinzuziehung der bayerischen) im Jahre 1880 ein »Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache«, das bereits 27 000 Einträge enthielt. Das Buch setzte sich in allen Bereichen schnell durch, außer in der preußischen Verwaltung, die jede Veränderung unter Strafen ablehnte. Duden erweiterte und verbesserte das Wörterbuch bis zu seinem Tode unermüdlich, unter anderem indem er nach Beratungen mit Experten Fachwörter aus vielen Bereichen (Recht, Militär, Seefahrt etc.) aufnahm. 1901 fand in Berlin die 2. Orthographische Konferenz statt, die endlich eine im Wesentlichen auf dem Duden basierende einheitliche Rechtschreibung für das Deutsche Reich und Österreich festlegte (die Schweiz hielt sich bereits seit 1892 an den Duden). Als Konrad Duden am 1. August 1911 starb, befand sich auf seinem Schreibtisch das fertige Manuskript für die neunte Auflage des Duden.Die Rechtschreibung nach Dudens TodIm Grunde hat sich bis 1996 an der deutschen Rechtschreibung seit der 2. Orthographischen Konferenz von 1901 nichts geändert, und der Duden war bis dahin das Organ, in dem die amtliche Rechtschreibung veröffentlicht wurde. Nach der Rechtschreibreform von 1996 gelten neben dem Duden auch andere Wörterbücher zur deutschen Sprache als für die Rechtschreibung verbindlich. Unter dem Naziregime fanden viele von der Propagandamaschinerie geschaffene Wörter Eingang in den Duden, die nach dem Zweiten Weltkrieg in mühevoller Arbeit wieder entfernt wurden. Während der deutschen Teilung gab es zwei Dudenredaktionen, eine in Leipzig und eine in Mannheim. Offiziell ignorierte man sich gegenseitig, jedoch nahmen die beiden Redaktionen sehr genau von den Änderungen der jeweils anderen Redaktion Notiz und ließen sie zum Teil in ihre eigenen Neuauflagen einfließen. 1991 erschien der erste Einheitsduden, der von beiden Dudenredaktionen gemeinsam erarbeitet wurde.Schon ein paar Jahre vorher hatten Bemühungen begonnen, nun doch eine neue Rechtschreibreform in Gang zu setzen; die deutschsprachigen Länder BRD, DDR, Österreich und die Schweiz hatten staatliche Kommissionen ernannt, die sich zu Konferenzen trafen und 1996 in Wien eine für den gesamten deutschen Sprachraum (von Ausnahmen abgesehen) einheitliche Rechtschreibung beschlossen, die von 1998 bis 2005 neben der alten besteht und dann verbindlich wird. Seit Sommer 1999 hat sich die überwiegende Mehrheit der Printmedien an diese Reform angepasst, die in den Schulen der meisten Bundesländer schon seit 1998 umgesetzt wurde. Die kontroverse Diskussion um die Rechtschreibreform, die auch nach der Einführung noch fortgesetzt wird, unterscheidet sich kaum von derjenigen, die im 19. Jahrhundert geführt wurde, obwohl die Änderungen wiederum weit hinter dem zurückbleiben, was sich Duden vorgestellt hatte. Von phonetischer Schreibweise kann keine Rede sein, die Reform beschränkt sich im Wesentlichen auf Änderungen in der Groß- und Kleinschreibung, in der Schreibung des »ss« und des »s« sowie der Zusammen- und Getrenntschreibung und der Silbentrennung. Sie besteht zwar aus zahlreichen Punkten, die alle möglichen Gebiete betreffen, eine durchgreifende Vereinfachung und Änderung des Schriftbildes hat allerdings nicht stattgefunden. Erstaunlich ist eine Änderung, die eigentlich dem Grundsatz einer Rechtschreibreform widerspricht, nicht in die Sprache selbst einzugreifen: Das Wort »selbständig« heißt inzwischen auch »selbstständig«. Duden, würde er heute leben, hätte vermutlich die Reform trotzdem unterstützt, nach dem Motto: besser eine kleine Verbesserung als überhaupt keine.
Universal-Lexikon. 2012.